by Stephan Erdmann

Als das Thema Corona anfing, war dies für mich noch sehr weit weg.
Ich hatte mich gerade als Kandidat der Piratenpartei für die Bürgermeisterwahlen in Erdmannhausen aufstellen lassen und war mitten im Wahlkampf.
Wahlkampf das heißt man spricht mit den Menschen am Infostand, in den Vereinen, auf Veranstaltungen und kann einen Handschlag nicht wirklich ablehnen.
Gerade am Anfang war Corona noch so ein niederschwelliges Thema von irgendeiner Krankheit im fernen China, dass man kaum wahr- geschweige denn ernstnehmen konnte.
Das sollte sich ändern, als die Menschen anfingen per Fußkick sich zu begrüßen.
Das sollte sich ändern, als meine Wahlhelfer mit Desinfektionsmittel zum Infostand kamen.
Stück für Stück rückte das Thema näher während ich und meine Mitbewerber noch scherzten
Wenn hier jemand Corona bekommt dann wir Kandidaten, denn wir reden mit jedem und schütteln jede Hand
Aus heutiger Sicht eigentlich unvorstellbar, aber damals mein Alltag.
Morgends einen Infostand, weiter zur Arbeit und am Abend bei einem Verein vorbeischauen oder mit den Menschen auf der Straße reden.
Als der erste Wahlgang näherrückte, kam die Pandemie immer mehr in unser Blickfeld.
Es wurde mehr und mehr zum Gesprächsthema, einzelne Meldungen zu Infektionsfällen in den Gemeinden des Landkreises wurden zum Streitthema ob es sich hier um ne kleine Grippe oder tatsächlich eine globale Pandemie handelt.
Ja es wurde unangenehm, als man sich bewußt machen musste, dass man sich selbst und seine Mitmenschen hier in Gefahr begab, doch diese Gefahr war niederschwellig.
Sie war lange da und immer nur am Rande. Kaum bemerkt und noch weniger ernstgenommen.
Bis sie einschlug!
Es war der letzte große Termin vor dem ersten Wahlgang und die LKZ hatte zu einer Podiumsdiskussion mit allen Teilnehmern geladen.
Eine letzte Gelegenheit sich selbst und die eigenen Themen dem Wähler zu präsentieren, wenige Tage vor der Wahl.
Und am morgen dann die Absage!
Die neuesten Fallzahlen hatten drastischere Maßnahmen erfolderlich gemacht. Eine der neuen Maßnahmen war eine Reduzierung der maximalen Teilnehmerzahl bei Veranstaltungen die wir vermutlich übertroffen hätten.
Die Morgenausgabe der LKZ war zu diesem Zeitpunkt natürlich bereits in den Läden und online kriegen so eine Meldung nicht alle mit.
Ich und mein Mitbewerber Herr Fuchs sind deshalb am Abend zum Veranstaltungsort gefahren um die Wähler über dem Stand der Dinge zu informieren. Die beiden Mitbewerber Herr Raisch und Herr Obermann hatten die Absage nicht mehr rechtzeitig erfahren und waren auch noch dazu gestoßen.
Bis in die späten Stunden ergaben sich daraus noch interessante Gespräche, aber es zeigte deutlich, dass Wahlkampf, insbesondere kommunaler Wahlkampf der sich am Bürger vor Ort orientieren muss, unter Pandemiebedingungen kaum möglich ist.
Die Kandidaten waren sich angesichts von gleich 7 Kandidaten allesamt sicher, dass es auf einen zweiten Wahlgang hinauslief und auch ich fragte mich ob eine Fortführung des Wahlkampfes sinnvoll ist.
Als der Wähler letztlich eine relativ klare Aussage im ersten Wahlgang traf mit zwei Kandidaten, die eng beieinander deutlich vorne lagen war ich letztlich erleichtert.
Eine Fortführung des Wahlkampfes — auch wenn ich als Pirat nun mit Themen wie Digitalisierung sicherlich klare Punkte hätte machen können — wäre kaum verantwortungsbewußt umsetzbar gewesen.
Letztlich fand ich in meiner Partei und insbesondere in der Corona Hilfegruppe Ludwigsburg eine Möglichkeit mich mit Sachpolitik zu beschäftigen und tatsächlich positives zu bewirken, anstatt die Gesundheit von mir, meinen Wahlhelfern und den Wählern selbst weiter zu gefährden.
Und da Politik ein Marathon und kein Sprint ist wird es bereits im Jahr 2021 zur Land- und Bundestagswahl neue Gelegenheiten Themen wie Digitalisierung, Transparenz & Teilhabe, Verkehrswende oder Nachhaltigkeit zur Wahl zu stellen.